Was Projektmanager über Risikomanagement wissen müssen – 6 Erfolgsfaktoren

Im Vorgespräch für mein letztes Projekt hat mich die Frage nach meinen Risikomanagementkenntnissen beeindruckt. Wie in den meisten Organisationen blieb es beim frommen Wunsch Risikomanagement einzusetzen, denn Risiken lediglich stichpunktartig im wöchentlichen Managemenreport aufzulisten, hat wenig damit zu tun. Warum wird so häufig Placebo-Risikomanagement betrieben und damit dieser wichtige Erfolgsfaktor für Projekte ignoriert? Nach einer kurzen Übersicht über best practices des Risikomanagements, biete ich Ihnen 6 Erfolgsfaktoren für die Umsetzung. Das Schild stammt übrigens aus dem Fahrstuhl eines schwedischen Wohnsilos.

Chancen und Risiken
Erst einmal sind Chancen genauso wichtig wie Risiken und alle ernsthaften Standards in diesem Bereich berücksichtigen sowohl die positiven als auch negativen Auswirkungen von Risiken, sei dies nun der PMBOK® Guide des PMI® oder die neue ISO 31000:2009. Chancen und Risiken stellen unsichere Ereignisse oder Zustände dar, die einen positiven oder negativen Einfluss auf Projekte haben können. Meist werden Risiken deshalb aufgrund der 1970 von Robert Courtney Jr. (IBM) vorgeschlagenen Formel
    Jährlicher Verlust = finanzielle Auswirkung x Eintrittswahrscheinlichkeit
priorisiert.

Wenn eine Chance oder ein Risiko eintritt, d.h. die Eintrittswahrscheinlichkeit 100% ist, spricht man von einem Nutzen bzw. einem Problem.

Wert von Risikomanagement
Die Planungsprozesse von Projekten gehen von einem unrealistischen Grad von Sicherheit aufgrund der Verwendung von Annahmen aus. Risikomanagement erhöht den Wert der Planungsprozesse, in dem die in den Annahmen verborgene Unsicherheit in die Planung aufgenommen wird. Darüber hinaus werden auch unbekannte Chancen und Risiken über einen Anteil der Risikopuffer für Zeit und Budget berücksichtigt. Ziel dieser Puffer ist die Schaffung einer für die Organisation und die Projektziele angemessenen Wahrscheinlichkeit, dass die Projektziele erreicht werden.

Herausforderungen für Risikomanagement
Zum einen sind zum Projektanfang die vorhandenen Informationen minimal, d.h. eine Risikomanagementplanung muss auf Basis von wenig Material erstellt werden. Die Menge und Qualität der Informationen steigt während des Projekts, allerdings werden auch die Kosten für Änderungen in Projekten höher. Somit müssen gerade zu Beginn eines Projektes aufgrund von Risikoanalysen ggf. Änderungen am Projekt vorgenommen werden. Daraus folgt auch, dass Risikomanagement während eines Projekts kontinuierlich durchgeführt werden muss. Auslöser für neue Risikobewertungen können insbesondere

  • das Auftreten von großen oder unterwarteten Chancen oder Risiken,
  • die Bewertung komplexer Änderungsanträge,
  • Phasenend-Reviews,
  • Projektüberplanungen und
  • periodische Reviews der Projektrisiken

sein.

Eine weitere große Herausforderung für Risikomanagement ist der Hang zur Selbsttäuschung, d.h. die Auswirkung oder die Eintrittswahrscheinlichkeit von Chancen oder Risiken werden (un)bewusst falsch eingeschätzt vor dem Hintergrund der eigenen Interessen.

Die 6 Prozesse des Risikomanagements

Der PMBOK® Guide schlägt die folgenden Prozesse vor, die sich in der ein oder anderen Form in allen Lehrwerken zum Risikomanagement in Projekten finden:

  1. Risikomanagement planen
    Zunächst wird die Grundlage des Risikomanagements gelegt. Dazu gehören organisationsspezifische Festlegungen zu

    1. Strategien,
    2. Risikoeinstellung (risk attitude),
    3. Methodik,
    4. Erfolgskriterien und Schwellwerten,
    5. Rollen, Verantwortung, Befugnissen,
    6. Kommunikationsplan,
    7. Templates,
    8. Definitionen und Begriffe und
    9. Werkzeugen.
  2. Risiken identifizieren
    Neben dem frühestmöglichen Beginn der Analyse von Chancen und Risiken, werden diese zu jeder Zeit während des Projektverlaufs entgegengenommen. Ich habe mir beispielsweise zur Regel gemacht in Teammeetings jedes Mal kurz nach neuen Chancen und Risiken zu fragen.

  3. Risiken qualitativ analysieren
    Die identifizierten Risiken sind anschließend nach Auswirkung und Eintrittswahrscheinlichkeit zu klassifizieren. Jedem Risiko sollte dabei ein risk owner zugeordnet werden, der für das Risiko verantwortlich ist und es managed. Ggf. wird diese Rolle getrennt vom risk action owner, der dafür sorgt dass geeignete Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden. Grundsätzlich ergibt sich bei der Bewertung das Problem der Objektivität, deshalb sind entsprechende Techniken bei der Bewertung einzusetzen. Die Ergebnisse der Risikoidentifikation und -bewertung können beispielsweise im Risikoregister erfasst werden, wie von mir unter pm-templates.de bereitgestellt.

    Manche Chancen und Risiken kann man nicht managen, deshalb macht es teilweise Sinn den Scope des Projekts zu ändern um Risiken zu vermeiden oder Chancen mitzunehmen. Darüber hinaus kann man gemeinsame Grundursachen von Chancen und Risiken suchen, um diese effektiver zu managen.

  4. Quantitative Risikoanalyse durchführen
    Der vorige Prozess widmet sich vorrangig der Einzelbetrachtung von Risiken, die qualitative Risikoanalyse betrachtet dagegen alle Risiken und ihre Auswirkungen gleichzeitig um die Randbedingungen Budget und Zeit besser abschätzen zu können. Zentrale Fragen dieses Prozesses sind:

    1. Wahrscheinlichkeit die Projektziele zu erreichen?
    2. Wie große müssen die Reserven sein, um entsprechend der Risikotolerenz an angemessenes Sicherheitsniveau zu erreichen?
    3. Welche Projektanteile erzeugen die meisten oder größten Risiken?
    4. Welches sind die größten Risiken?
  5. Risikobewältigung planen
    Zu jeder Chance und jedem Risiko ist festzulegen ob es vermieden, transferiert, mitigiert oder akzeptiert werden soll. Wenn Risikobewältigungsmaßnahmen definiert werden, entstehen gleichzeitig Restrisiken, die selbst nach Anwendung der Risikobewältigungsmaßnahmen verbleiben. Daneben entstehen Sekundärrisiken durch die Anwendung der Maßnahmen. Neben der Planung auf Ebene der einzelnen Chancen und Risiken ist auch auf der Projektebene zu planen. Dort wären die möglichen Maßnahmen dann Projekt abbrechen, Chancen und Risiken zwischen Lieferant und Kunden teilen, Scope überplanen oder weitermachen trotz hoher Chancen und Risiken.

  6. Risiken überwachen und steuern
    Während der Projektlaufzeit müssen Risiken und Restrisiken überwacht, neue Risiken identifiziert, die rechtzeitige Ausführung von Risikobewältigungsmaßnahmen sichergestellt und deren Effektivität sowie die Effektivität des Risikomanagements bewertet werden. Diese Prozess bildet damit quasi die Klammer um alle anderen Risikomanagementprozesse.

    Für die Planung von Risikobewältigungsmaßnahmen gibt es ebenfalls ein Template unter pm-vorlagen.de.

Erfolgsfaktoren für Risikomanagement
Die erfolgreiche Umsetzung von Risikomanagement hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Anerkennung des Werts von Risikomanagement
  • Verpflichtung zu und Verantwortung für Risikomanagement auf der Ebene der Person, des Projekts und der Organsation
  • Offene und ehrliche Kommunikation
  • Geeignete Skalierung von Risikomanagement auf das Projekt
  • Balance von Kosten, Aufwand und Nutzen sowie Budget und Ressourcen für Risikobewältigungsmaßnahmen
  • Integration von Risikomanagement in das Projektmanagement

Da viele Menschen Risiken gerne ausweichen und die Nutzung von Chancen wegen Aufwänden scheuen, ist gerade die Form von Ehrlichkeit die Risikomanagement schafft, eine Herausforderung. Risikomanagement macht das Leben kompliziert und schafft auf der anderen Seite Nutzen. Stellen Sie sich der Herausforderung und steigern Sie ihren Projekterfolg!

1 Responses to Was Projektmanager über Risikomanagement wissen müssen – 6 Erfolgsfaktoren

  1. […] Heilwagen beschäftigt sich mit Erfolgsfaktoren im Risikomanagement. Sein Beitrag ist Einführung und Zusammenfassung zugleich und wie die meisten seiner Threads […]