Von Earned Value Management zu Business Value Management

Wiki (Icon)Während der closing session des PMI® North America Congress 2009 prophezeite Harold Kerzner das baldige Ende des Earned Value Managements. Er sieht die Zukunft in Value Management-Methodiken, die den Wert bzw. Nutzen eines Projekts für die Businessseite (business value) erfassen. Damit fordert er insbesondere von Projektmanagern ein tieferes Verständnis des Business ein. Kurz gesagt geht er davon aus, dass die bisherige Fokussierung auf Zeit und Kosten als Randbedingungen für Projekte in Zukunft der Frage nach dem Wert bzw. Nutzen eines Projekts untergeordnet wird.

Soweit, so gut. Aber wie kommen wir von der Earned Value Analyse und dem Triple Constraint (Scope, Time, Cost) zu neuen Value Management Frameworks? Hier einige erste Ideen auf dem Weg. Fangen wir an mit dem Triple Constraint:

Triple constraint

An sich ein (ver)alt(et)er Hut, allerdings auf der gleichen Linie wie das Earned Value Management:

EVA

In beiden Fällen versucht man das Projekt über Scope, Zeit und Kosten zu steuern. Beim Earned Value Management gehen Scope, Budget und Ressourcen in die Berechnung des bisher erreichten „Values“ des Projekts ein. Allerdings steht „Value“ an dieser Stelle nur für die Kennzahl, die angibt, wie weit man auf dem geplanten Weg gekommen ist. Für agile Projekte macht Earned Value Management herzlich wenig Sinn, da man ein „moving target“ unter dem Gesichtspunkt der Maximierung von Metriken wie Kundenzufriedenheit verfolgt und bei ständig wechselnder Planung der Earned Value zu verschiedenen Zeitpunkten nicht miteinander vergleichbar ist.

Triple Constraint und EVA greifen auch aus meiner Sicht zu kurz, da sie weder Qualität noch Kundenzufriedenheit berücksichtigen. Deshalb nutze ich folgendes Modell:

Pentagon


Wo soll nun der Business Value berücksichtigt werden? In meinem oben gezeigten Modell habe ich ihn für mich unter Kundenzufriedenheit subsummiert und bin damit für die Zukunft gerüstet.

Wie kann man aus Sicht des PMI® den Weg vom Earned Value Management zum Business Value Management gehen?

Michel Thiry (PMI Fellow) definiert den Wert bzw. Nutzen eines Projekts über Scope und Qualität auf der einen Seite und Ressourcen, bestehend aus Kosten und Zeit, auf der anderen Seite einer Wage. Um die Argumentation zu unterstützen, habe ich folgende Darstellung gewählt:

Michel Thiry und EVA

Im Wesentlichen arbeitet er damit noch mit den Themen des Earned Value Managements. Spannend wird es nun, wenn man sein Modell um die neuen Projektrandbedingungen aus dem PMBOK® Guide 4th edition ergänzt und Business Value hinzufügt:

Business Value Management

D.h. der Wert eines Projekts könnte sich entsprechend dem Denkmodell des PMI aus den PMI-Projektrandbedingungen Scope, Quality, Budget, Ressources, Time und Risks ergeben, ergänzt um Business Value (bzw. Customer satisfaction aus meiner Sicht). Damit hätte man eine erste Diskussionsgrundlage, um die zukünftige Bewertung von Projekten durchzuführen und z.B. zu entscheiden, wann man ein Projekt stoppt.

Die besonderen Herausforderungen dieses Modells sind, geeignete Metriken für Qualität und Business Value bzw. Kundenzufriedenheit zu definieren bzw. eine Kennzahl festzulegen, die den letztlichen Nutzen bzw. Wert des Projekts beschreibt. Es ist auch zu prüfen, inwiefern die Menge der Kennzahlen reduziert wird, da deren hohe Anzahl nicht notwendigerweise zu besseren Aussagen führt.

12 Responses to Von Earned Value Management zu Business Value Management

  1. […] in seiner Definition. Einige Trends in dieser Richtung sind bereits sichtbar, wie im Posting Von Earned Value Management zum Business Value Management […]

  2. Mich erstaunt die Aussage von Harold Kerzner. Da ich sie nicht selbst gehört habe und bisher keine Niederschrift seiner Präsentation gefunden habe kann ich nur spekulieren, dass seine Aussage vielleicht aus dem Kontext gerissen wurde.

    Alle erfahrenen Projektleiter wissen, dass das magische Dreieck mit Kosten, Zeit und Projektumfang/Qualität nicht der vollständige Massstab für den Projekterfolg ist. Was für das Business schlussendlich zählt ist der Nutzen, der „Business Value“. Jetzt kommt aber der entscheidende Punkt, von was hängt der Business Value eines Projektes ab? Die wichtigste Basis dafür ist ein solider Business Case, der zu Beginn des Projektes erstellt wird und während der Projektdauer kontinuierlich überprüft und bei Bedarf angepasst wird. Die periodische Überprüfung ist entscheidend und wird oft vernachlässigt! Denn das Projektumfeld kann sich schnell ändern. Dazu gehören Konkurrenz, Märkte, Technologien, Gesetzte usw. Der nächste entscheidende Punkt für den Business Value sind das Lasten-/Pflichtenheft und dann die Requirements. Bei all diesen Punkten muss das Business zwingend die Inputs liefern, damit das Projekt dann den Business Value liefern kann. Dass der Projektleiter hier ein gutes Verständnis für die Business-Seite mitbringen muss ist für mich selbstverständlich, sonst hätte er das Projekt nicht erhalten. Wenn das Business seinen Teil seriös gemacht hat liegt es dann am Projektleiter und seinem Team das Projekt in der entsprechenden Zeit, zu entsprechenden Kosten und Qualität zu liefern. Die folgende Grafik aus meinem Risikomanagement-Buch hilft vielleicht den Sachverhalt etwas besser zu verstehen.

    Jetzt kommen wir zum Earned Value Management. Die Projektkosten sind ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsrechnung, denn überschrittene Projektkosten können die Wirtschaftlichkeit des Projektes sehr schnell ruinieren. Neben EVM sind natürlich auch das Risikomanagement, Qualitätsmanagement, Projektumfang-Management und das Ressourcenmanagement wichtige Werkzeuge, die in den Projektcontrolling-Prozess einfliessen.

    Meiner Ansicht nach hat das Statement von Harold Kerzner uns wieder einmal angestossen sich mehr mit dem Nutzen von Projekten zu beschäftigen und was die Grundlagen dafür sind. Das ist jedoch nur gute, alte Projektmanagement-Praxis – nicht Neues! Zusammenfassend: Klar sind Zeit und Kosten dem Business Value untergeordnet, aber ohne EVM als ideales Kostencontrolling-Instrument könnte der Business-Value gefährdet sein!
    Mehr Infos unter http://pm-evm.blogspot.com/

    • Ok, das zum Thema Werbung…nach der ultimativen Wikipedia-Löschdiskussion und deren Niederschlag in fefes Blog kann ich nur sagen: die inhaltliche Relevanz ist gegeben, auch wenn der Kommentar nicht direkt den Punkt des Postings trifft. Ich gehe davon aus, dass die Slides zum Vortrag von Herrn Kerzner demnächst vom PMI bereitgestellt werden.

  3. […] Andreas Heilwagen zeigt in einem lesenswerten Beitrag den Weg vom magischen Dreieck, über das Earned Value Management hin zu einer nutzenorientierten Sichtweise (Business Value) auf. Er versucht dabei einige Gedanken von Harold Kerzner aufzunehmen und mit den Projektrahmenbedingungen aus der 4th edition des PMBOK zusammenzuführen. Er hält aber an einer an Metriken orientierten Betrachtungsweise fest: “Die besonderen Herausforderungen dieses Modells sind, geeignete Metriken für Qualität und Business Value bzw. Kundenzufriedenheit zu definieren bzw. eine Kennzahl festzulegen, die den letztlichen Nutzen bzw. Wert des Projekts beschreibt.” […]

  4. Tural sagt:

    Sie haben Recht. Leistung heißt nicht Erfolg: Den Geschäftswert der Leistungen bewertet der Auftraggeber, z.B. Kunde. Er beurteilt, ob er mit den Projektergebnissen Erfolg haben wird oder nicht.
    Für die Prüfung ist wichtig, dass die Kandidaten EVA so kennen müssen(!), wie PMI sich wünscht. In der Projektpraxis allerdings kann der Projektmanager z.B. den Prozess 7.3 Control Costs mit anderen Techniques and Tools belegen, um sein Projekt „agil“ zu führen.

  5. Frank Blome sagt:

    Toller Artikel, Andreas. Mich würde jetzt aber noch Deine Einschätzung interessieren. Wie siehst Du persönlich den Fortbestand der EVA?

    • EVA hat ihre Berechtigung genauso wie das Wasserfallmodell in manchen Kontexten. Ich gehöre zur Fraktion der Agilisten wenn es dem Projekt dienlich ist und denke, dass die EVA vom PMI überbewertet wird. Aber erstmal tragfähige Alternativen zum Erfolg führen…