9 Denkschulen im Projektmanagement – von Taylorismus bis Marketing

Wiki (Icon)Vor einiger Zeit ist mir ein Paper von Rodney Turner (Irland), Cristophe Bredillet (Frankreich) und Frank Anbari (USA) über Perspectives on Research in Project Management in die Hände gefallen. Der wichtigste Mehrwert besteht für mich aus der Übersicht über neun Denkschulen im Projektmanagement, in die die meisten aktuellen Forschungsansätze fallen.

  1. Optimierung: Das Projekt als Maschine
    Basierend auf der Betriebsforschung der 40er und 50er sind Werkzeuge und Methoden wie Kritischer Pfad, PERT, Gantt-Charts, Bedarfsglättung (resource leveling), Verdichtung (crashing), critical chain und Monte Carlo-Simulation entstanden. Das Ziel dieser Taylorismus-geprägten Schule ist Projektziele zu definieren, herunterzubrechen und durch sorgfältige Planung, Terminierung, Schätzung und Durchführung der Aufgaben das optimale Resultat zu erreichen. Der PMBOK® Guide des PMI sowie Vorgehensweisen wie EVM sind dieser Denkschule zuzuordnen.

  2. Modellierung: Das Projekt als Spiegel
    Seit den 50er und 60er Jahren wurde die Optimierungs-Denkschule weiterentwickelt und konzentriert sich im Rahmen der Modellierungs-Denkschule auf die Modellierung des gesamten PM-Systems und der Interaktion seiner Komponenten. Dies entspricht eher dem Ansatz von Descartes durch Aufteilung eines komplexen Problems in Teilprobleme, Lösen der Teilprobleme und Integration der Teillösungen zur Lösung des Gesamtproblems.

  3. Governance: Das Projekt als Rechtssubjekt
    Seit den 70ern gab es mehrere Schübe in der Entwicklung dieser Denkschule. Zum einen wurde das Verhältnis zwischen Vertrags- und Projektmanagement und zum anderen Governence-Mechanismen in Projekten und projektorientierten Organisationen untersucht.

  4. Verhalten: Das Projekt als soziales System
    Eng verbunden mit der Governance-Denkschule wird hier seit den 80ern das Projekt als temporäre Organisation im Sinne eines sozialen Systems verstanden und bezieht Organisationsverhalten, Teambuilding, Leadership, Kommunikation und Personalmanagement mit ein.

  5. Erfolg: Das Projekt als Geschäftsziel
    Diese Denkschule konzentriert sich seit den 70ern auf Erfolge und Fehlschläge von Projekten. In der Literatur wird hier zwischen Projekt-Erfolgsfaktoren (beeinflussbare Elemente zur Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit) und Projekt-Erfolgskriterien (Metriken zur Messung von Projekten) unterschieden. Seit den Anfangstagen gibt es eine Verschiebung der Kriterien von denen des magischen Dreiecks hin zu einer erweiterten Sicht unter Einbeziehung von Stakeholdern.

  6. Entscheidung: Das Projekt als Computer
    Diese Denkschule fokussiert sich sowohl auf Faktoren, die für die Initiierung, Genehmigung und Finanzierung von Projekten wichtig sind, als auch auf Faktoren hinsichtlich Projektabschluss, -abbruch und Schlussfolgerungen bezüglich Projekterfolg oder -misserfolg. Der Ansatz beinhaltet ökonomische, kulturelle und politische Regeln, die Investitionen in Projekte auslösen können. Weiterhin werden die weichen Faktoren in Projekten und die Ambiguität rund um Entscheidungen im Projektvorfeld berücksichtigt.

  7. Prozesse: Das Projekt als Algorithmus
    Diese Denkschule wurde Ende der 80er vor allem in Europa populär. Die Voraussetzung ist die Definition von Prozessen vom Projektstart bis zum Erreichen der Ziele. Das Projekt wird als Algorithmus gesehen, der hilft das Problem der Transition zum gewünschten Zustand in der Zukunft zu lösen. Somit gehören Projekt- und Management-Lebenszyklusmodelle in diese Schule. Einige Elemente des PMBOK®Guide stammen aus dieser Denkschule, z.B. Projektlebenszyklus, Managementprozesse, Integrationsmanagement sowie Qualitäts- und Risikomanagement.

  8. Umstände: Das Projekt als Chamäleon
    Diese Schule erkennt die Unterschiede zwischen Projekttypen an und sieht die Notwendigkeit PM-Prozesse für Projekte anzupassen. Gleiches gilt für den Managementansatz und Führungsstil. Wichtige Aspekte der Denkschule sind die Kategorisierung von Projekten, um sie an der Unternehmensstrategie auszurichten und die richtigen Projekte auszuwählen.

  9. Marketing: Das Projekt als Plakatwand
    Diese Denkschule konzentriert sich auf die Identifikation von Stakeholdern und Kundenwünschen, Stakeholdermanagement, Aufsetzen von Projektorganisationen und Projektmarketing.

Eine genauere Unterscheidung der Denkschulen zusammen mit sehr vielen Literaturquellen ist in dem anfangs genannten Paper für Mitglieder auf der Seite pm4success.com der APMG herunterzuladen. Wem die APMG (noch) nichts sagt: sie ist u.a. für die PRINCE2-Zertifizierungen zuständig.

Eine umfassende Meta-Linksammlung zu weiteren wissenschaftlichen Quellen finden Sie auf den Linkseiten von Projekt Management Beratung.

3 Responses to 9 Denkschulen im Projektmanagement – von Taylorismus bis Marketing

  1. […] Heilwagen hat in einem Post 9 Denkschulen des Projektmangements nach Rodney Turner, Cristophe Bredillet und Frank Anbari ausgegraben, […]

  2. […] 9 Denkschulen im Projektmanagement – von Taylorismus bis Marketing […]

  3. SH sagt:

    Hi Andreas, danke für diesen wertvollen Beitrag und den Link! Grüße aus dem Süden.