Meinung: Standardisierungsverfahren

Heute morgen hat Heise berichtet, dass IBM eine Unternehmensrichtlinie zur Erarbeitung offener Standards aufgestellt hat als Reaktion auf die Unregelmäßigkeiten bei der Verabschiedung von Microsofts Dokumentenstandard OOXML. Es stellt sich nun die Frage, ob sich die Standardisierungsorganisationen dem Druck von Unternehmen hinsichtlich einer Überarbeitung der Verfahren beugen, nachdem sie die offensichtlichen Mängel im Prozess trotz heftiger Proteste im Falle von OOXML ignoriert haben. Letztendlich werden aufgrund meiner bisherigen Erfahrung in solchen Gremien zwei Gruppen entscheiden:

  1. die Geldgeber der Standardisierungsorganisationen und
  2. die Mitarbeiter in den Standardisierungsgremien.

Mit der Aufstellung der Unternehmensrichtlinie ist IBM als Schwergewicht im Standardisierungsgeschäft einen wichtigen Schritt gegangen dem hoffentlich andere Firmen folgen werden.

Am Beispiel der Entwicklung des Projektmanagement-Standards in Deutschland (in Zukunft DIN 69901:2009), erkennt man die typischen Stärken und Schwächen der Standardisierungsprozesse. Auf der einen Seite hat die GPM durch ihre jahrlange aktive Mitarbeit einen wesentlichen Beitrag zur Standardisierung in diesem Bereich geleistet, auf der anderen Seite war es im Wesentlichen auch nur die GPM. Somit entscheiden unter anderem die Mehrheitsverhältnisse in den Gremien über die Ergebnisse. Diesen Umstand hat sich Microsoft bei der Standardisierung von OOXML zunutze gemacht und dafür gesorgt, dass möglichst viele Vertreter der eigenen Ziele in den entsprechenden Gremien Mitglied werden.

Zurück nach Deutschland. Dort beginnen nun auch Vertreter anderer Berufsverbände an der Standardisierung von Projektmanagement mitzuwirken. Ich hoffe, dass in Zukunft auch der deutsche Standard von einem möglichst ausgewogen besetzten Gremium weiterentwickelt und damit noch besser wird. Die Entwicklung von ISO 21500 als internationalem Projektmanagementstandard wird hier für die nächste Version von DIN 69901 in einigen Jahren wichtige Anstöße geben, oder ggf. diese Norm verdrängen.

Zuletzt stellt sich automatisch die Frage, warum ich in Standardisierungsgremien mitwirke. Mein Portfolio als Berater basiert auf standardübergreifenden Leistungen. Somit ist die Kenntnis der gängigen Standards en detail unabdingbar. Beim PMI erreiche ich dies über die Vorstandstätigkeit in einem PMI Chapter und der Mitarbeit an der deutschen Übersetzung des PMBOK, beim DIN z.B. über die Mitarbeit im NQSZ-4. Weitere Aktivitäten werden sicher folgen, allerdings begrenzt durch die politischen Bestrebungen in einigen Organisationen, die eine solche standardübergreifende Arbeit erschweren.

Aus meiner Sicht bietet die Schaffung von ISO 21500 zum ersten Mal die Chance, die wichtigen Standards im Bereich Projektmanagement unter einem gemeinsamen Dach zu verbinden. Darunter werden sich im besten Falle die Standards der internationalen Berufsverbände plazieren, ergänzt um nationale Normen. Über die weitere Entwicklung werde ich in diesem Blog regelmäßig berichten.

1 Responses to Meinung: Standardisierungsverfahren

  1. […] Heise und Andreas Heilwagen berichten aber auch, dass z.B. IBM durchaus seine Probleme damit hat. zugegebenermaßen vielleicht aus anderen Gründen als ich […]